Erstellt von Perli am 17.09.2021

Eizbrand – Pyromanie / VÖ: 08.10.2021 via Rookies & Kings

Im Juni wurde endlich die Katze aus dem Sack gelassen und das Releasedatum zum lang ersehnten zweiten Album verraten. Eizbrand – die Band vom Niederrhein (Krefeld/ Tönisvorst) – DIE Neuentdeckung von 2019 – hat sich 2013 gegründet und ist mit ihrem Debutalbum Feuertaufe auf Anhieb von Platz 0 auf 66 der offiziellen deutschen Album Charts gelandet.

Bandbesetzung:
Sascha – Schlagzeug
Ruwen – Gesang
Dennis – Gitarre
Marcel – Gitarre
Robin – Bass

Der Weg der fünf Musiker geht steil bergauf, im Februar letzten Jahres wurden sie – völlig zu Recht – mit dem Innocent Award in der Kategorie „Beste Newcomer Band“ ausgezeichnet und konnten sich mit „Wir tanzen nicht, wir pogen“ als eine der wenigen Deutschrockbands in der offiziellen Spotify Playlist „Klare Kante“ etablieren.

Ihr Debütalbum – eines der meistbeachteten und -gelobten Alben der gesamten Deutschrockszenebeschreibt einen Weg voller Höhen und Tiefen, über Stock und über Stein, aus dem Leben gegriffen und so, wie ihn die Band in der Vergangenheit selbst erlebt hat. Ihre Reise hat die fünf Musiker aber schließlich zum Ziel geführt.

Kraftvoll und ehrlich, textlich ausdrucksstark und wortgewaltig steht ihre Musik ganz klar für hausgemachten Ruhrpott Deutschrock. Direkt und kerzengerade in die Fresse dieser Zeit!

Und auch der Nachfolger
Pyromanie – ein absolut authentisches Album – wird jede CD Sammlung bereichern. Die Musiker beweisen, dass sie definitiv nicht nur ein „One-Hit-Wonder“ sind, sondern sich einen festen Platz im deutschen Rockuniversum verdient haben, ohne sich dabei allerdings von ihren Wurzeln zu entfernen.


Tracklist:

  1. Intro
  2. Haus aus Glas
  3. Phoenix aus der Asche
  4. Zeichen meiner Liebe
  5. Gefühl von Freiheit
  6. Ich bin Ich (Segen oder Fluch)
  7. Niemals
  8. Brüder
  9. Vereint
  10. Flucht nach vorne
  11. Stumme Schreie
  12. Was auch passiert
  13. Ich denk zurück
  14. Finger 3
  15. Ich glaube
  16. Lasst uns Geschichte schreiben
    Bonussongs:
  1. Black Jack
  2. Jahre oder Ewigkeit
  3. Vielen Dank

Der Blick auf die Songanzahl lässt mein Herz direkt höher schlagen: 16 (!) neue Eizbrand Songs – ich bin im Paradies!

Der neue Longplayer beginnt wie bereits auch die Debutscheibe mit einem „Intro“. Diesmal aber bedeutend epischer und imposanter, was allein der Klang der Streicher ausmacht! Hier wird der Sprung im Nebel auf die Bühne demnächst weitaus spektakulärer ausfallen. Ich freue mich schon unglaublich darauf!

Ebenfalls wie beim Vorgängeralbum mündet das Intro direkt in den ersten Song
„Haus aus Glas“. Ein nahtloser Übergang, mit dem die Band uns Willkommen in der Marionettenwelt heißt, einer Wohlfühloase so stabil wie eine Seifenblase. Hier ist Jeder gegen Jeden und Jeder nur für sich. Sehr gesellschaftskritisch und definitiv am Zahn der Zeit. Es muss alles immer höher, schneller, weiter sein, wir fühlen uns frei dabei sind wir nur ein Fähnchen im Wind, kontrolliert bis auf die Knochen. Die schönen woho whohohoho wohohoho whohoho Parts zwischendrin sorgen dafür, dass man nicht stehen bleibt und sich der Song direkt im Ohr fest setzt. Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass man ignoriert, dass wir uns mittlerweile unser eigenen Grab schaufeln, und wer sich wehrt wird diffamiert oder ausgelacht. Es ist also angebracht, sich den Text einzuprägen! Ich will jetzt unbedingt auf ein Eizbrand Konzert, so richtig eskalieren und der Politik aus Lügen den Mittelfinger zeigen!

... Ball die Fäuste, kämpf für dein Recht.
Schließ die Augen, zieh ins Gefecht!...“

Der Aufruf, wie „Phoenix aus der Asche“ zu scheinen, folgt direkt im Anschluss! Dein Scheitern ist Balsam für die Masse und wenn man nur den Verlierer in dir und dich am Boden sehen will, dreh dich weg und hör einfach nicht hin! Beachte diese Idioten nicht, lass dich nicht hängen und bleib dir selber treu! Musikalisch im typischen Eizbrand- Stil reiht sich diese Nummer in die Hitliste ein und die Vorfreude wächst immer mehr!

Der Startschuss zum neuen Album wurde am 24.Juni mit der  „Zeichen meiner Liebe“ gelegt. Eine Selbstreflexion, eine Abrechnung und eines der ungewöhnlichsten Liebeslieder, welches geschrieben wurde, so zumindest sagt es die Band selbst. An dieser Stelle muss ich aber gleich all denen sagen, die denken, sie seien es nicht Wert, geliebt zu werden, IHR SEID ES WERT! Brutal ehrlich, ehrlich brutal, verstörend und verzaubernd zugleich - so ist sie, die Liebe. Hier wurde quasi der Nachfolger von „Herz aus Eiz“ geschrieben. Ich bin schock verliebt, nicht nur in diesen Song und widme nachfolgende Zeilen einem ganz besonderen Menschen:

„... mich irgendwem zu öffnen, das hab ich nicht gewagt.
Doch dann kamst du, wurdest Teil von meinen Leben,
du hast mir das Vertrauen in mich selbst zurück gegeben.
Nimm mich mit, lass mich nicht allein,
ich will mein ganzes Leben lang ein Teil von deinem sein!
Ich reiß mein Herz aus der Brust und schenke es dir,
ohne dich ist es eh kein Teil von mir!
Ich reiß mein Herz aus der Brust und pack es dir ein,
es soll ein Zeichen meiner Liebe für dich sein!

Du nimmst mir jeden Zweifel, du nimmst mir jede Angst,
ich weiß, dass ich mit dir einfach alles schaffen kann.
Keine Hürde ist zu hoch, kein Weg ist zu weit,
du bist mein Licht und leuchtest in der Dunkelheit.
Komme ich vom Weg ab, navigierst du mich zurück,
du bist mein Lebenselixier, du bist mein großes Glück. ...“

Auch wenn wir hier von einem grandiosen Liebeslied sprechen, kann man gepflegt den Head bangen, sich so richtig austoben und alle Emotionen raus schreien!

Mit einer Verschnaufpause, nicht aber weniger eindringlich geht es weiter mit dem „Gefühl von Freiheit“ - einem Rückblick in die Vergangenheit - die erste Liebe, der erste Sex am Strand, die Ausbildung... hier hören wir ungewohnt ruhige und langsame Töne der fünf Musiker aus Krefeld.

Und noch besinnlicher folgt darauf „Ich bin Ich“. Berührendes Gitarrenspiel und Ruwens authentischer Touch in der Stimme zaubern hier eine kleine Piloerektion.

Die sich anschließende Nummer
„Niemals“ beschäftigt sich mit einer vergangenen Liebe. Die Frage nach dem Warum: mit Tränen in den Augen fragt man sich, wie die Liebe so schnell verblassen konnte. Das Gefühl der Dunkelheit und der Leere, das Gefühl, wie ein Häufchen Elend in einer Ecke zu kauern – wer kennt es nicht?! Dann aber, wenn auch zunächst erst langsam, heilen die Wunden und das vernarbte, gebrochene Herz kuriert sich, ist von der Dunkelheit befreit und man kommt zu der Erkenntnis: niemals mehr zurück zu dir, jetzt erst Recht zurück zu mir! Toll, wie uns die Band mit dieser Nummer mit durch diesen befreienden Prozess nimmt, immerhin war wohl ein Jeder schon mal selbst in genau dieser Situation. Ich glaube, mit etwas mehr Power könnte man sich hier ordentlich was von der Seele schreien, ich persönlich finde den Song ein klein bisschen zu verhalten.

Eine weitere Liebeserklärung wurde mit dem über fünf Minuten langen Song „Brüder“ geschrieben. Eine Freundschaft, die bereits ein Leben lang besteht! Eine Achterbahn der Gefühle, bergauf und bergab, aber man weiß, was man aneinander hat. Brüder, über den Tod hinaus, die nichts und niemand trennen kann! Genau für diesen Menschen ist dieser Titel gemacht! Musikalisch ist der Track eher ruhig gehalten, das aber unterstreicht die Emotionen, die hier im Vordergrund stehen und so unendlich wichtig sind! Der Song berührt einfach, denn zum Ende muss dann trotzdem Abschied genommen werden und in den letzten 30 Sekunden rollt tatsächlich dann doch noch eine Träne über die Wange!

Mit 3.18 Minuten ist „Vereint“ neben dem Intro der kürzeste Song. Und zack der klassische musikalische Eizbrand Rhythmus ist wieder da! Auch hier geht es inhaltlich um eine Freundschaft und die Erfahrungen, die verarbeitet werden.

Mit dem zehnten Track treten wir die „Flucht nach vorne“ an: das Gefühl von Freiheit, bestimmt von der Liebe zur Musik. Hört einfach rein.

Achtung: Triggerwarnung: „Stumme Schreie“ catcht dich direkt mit der ersten Textzeile, nein eigentlich schon mit dem Geräusch, einer aufgezogenen Spieluhr. Irgendwie weiß ich sofort, worum es hier geht... Man schaut den Menschen immer nur ins Gesicht, welche Schatten sich aber dahinter verbergen, kann man nicht erahnen. Es gibt so viel Leid und Schmerz, den ein Mensch einem anderen – noch schlimmer wenn es Kinder sind – antun kann. Ich kann es einfach nicht begreifen! Es zerfrisst die Seele und die Alpträume begleiten Betroffene oft ein Leben lang! Bitte hört genau hin und lasst diese Menschen nicht allein! Mir schnürt es die Kehle zu...

In „Was auch passiert“ geht es ebenfalls um die Schatten der Vergangenheit. Ruwen legt viel Gefühl in diese Zeilen, und man fühlt die schmerzhaften Erinnerungen förmlich mit. Aber man nimmt ihm auch jedes Wort ab, wenn er singt: „... was auch passiert, eine Armee steht hinter dir, du bist nicht alleine...!“ - für mich baut der Song perfekt auf „Hast du heute schon“ auf. Danke!


Und wieder richten wir den Blick zurück: „...Ich denk zurück an jeden Tag aus dieser Zeit, die ich nicht vergessen darf! … Und ich erinner mich daran, mit einem Lächeln im Gesicht, weil ich gar nicht anders kann...“. Jeder kennt es, wenn man zusammen sitzt und plötzlich jemand sagt: „... Weißt du noch...“.  Musikalisch in einem Tempo, optimal um in Gedanken, nicht aber in Depressionen zu versinken.

Eizbrand wird NICHT unter gehen!

Die  „Finger 3“, die Ende August erschienen ist, braucht keine großen Erklärungen. Ein Selbstläufer – laut, hart und einfach stark! Erhebt den Mittelfinger, lest zwischen den Zeilen und dann entscheidet, ob ihr zur Eizbrand Familie gehören wollt oder nicht! Hab ich da eigentlich Nutte gehört?!

Nichts ist für die Ewigkeit, so viel wissen wir. Nicht all unsere Wege führen (direkt) zum Ziel, aber mit dem Glauben daran, wird zum Schluss letztendlich doch immer alles gut! Man muss nur selber fest daran glauben! Was nicht tötet, härtet ab, aber mit Hoffnung, Stärke, Herz und Gefühl schaffen wir es gemeinsam ins Ziel! Darum geht es im Song N° 15
„Ich glaube“.

In der letzten Nummer „Lasst uns Geschichte schreiben“ kommt Ruwens Stimme nochmal wieder so richtig geil rüber. Eine Stimme, die mir jedes Mal ein Lächeln ins Herz zaubert, weil ich weiß, das es berührend wird. Hier nehmen uns die fünf Musiker mit auf ihre ganz persönliche Reise. Die Reise der Band – wo wir gewesen sind und wo wir hin wollen. Ein perfekter Abschlusssong, den ich mir auch live als letzte Nummer sehr gut vorstellen kann. Ich sehe uns schon mit Wunderkerzen in der Hand, vielleicht sogar mit einem Tränchen im Augenwinkel, nach größter Eskalation auf einem Eizbrand Konzert, den Abend ausklingen lassen.


Es wird zusätzlich noch eine Bonus CD mit drei weiteren Songs geben, wovon ich einen besonders hervorheben muss:

Was ist bloß mit euch geschehen? Bitte hört auf zu streiten, bitte habt euch lieb! „Jahre oder Ewigkeiten“ wirft einen Blick in die dunkle Vergangenheit, die traurige Geschichte einer Kindheit geprägt von Streit und Gewalt. Das prägt eine kleine Kinderseele und dieses Schicksal beeinflusst einen das ganze Leben lang. Wie wenig Gedanken sich manche Menschen über die Auswirkungen ihres eigenen Handelns machen... unfassbar...

„Black Jack“ ist besonders rhythmisch und lässt sich meiner Meinung nach in die Kategorie „Wann kommt die Zeit“ einordnen und „Vielen Dank“ so mutmaße ich, geht raus an Marco. Danke für diese Zeit – wir sehen uns wieder, tschüss bis bald!


Fazit:
Wie (zumindest für mich) zu erwarten knüpfen
Eizbrand mit dem neuen Album Pyromanie an den Erfolg der Debutscheibe an!

Auch hier wieder überzeugende und eindringliche Textbotschaften, die berühren, zum Nachdenken anregen aber auch durch eine gewisse Leichtigkeit einfach nur Spaß machen! Und doch durch manchen Songs ein Stück weit mehr sozial-/ gesellschaftskritisch! Der Mittelfinger kann gern mal ausgestreckt bleiben!

… bla bla bla... mal ernsthaft: ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll, weil ich einfach glücklich bin! Ich bin so dankbar, vier Wochen vor Release, in dieses Album rein hören zu dürfen, eine der Scheiben, auf die ich mich fucking am meisten gefreut habe!

Dies ist in jedem Fall eine Liebeserklärung an Ruwen! Aber zweifelsfrei auch an Eizbrand! Darf man das so sagen?! UNBEDINGT!

Ich kann es gar nicht oft genug sagen: Jungs, es wird Zeit für eine eigenen Headliner Tour! Seid ihr bereit? Ich bin es jedenfalls!

Was mir das Scheiß Drauf Festival in diesem Jahr gezeigt hat: man muss die Band aus dem Ruhrpott nicht zwingend sehen, um zu wissen, wie hier die Hütte abgerissen wird. Egal zu welchem Song, hier gibt es immer totale Eskalation.

Zu wild, zu stak, vollkommen verwirrt,
einfach unnormal!
Perli
AGF- RADIO