Erstellt von Perli am 02.10.2019

Maerzfeld – Zorn / VÖ: 04.10.19 via Südpolmusic

Was einst als Rammstein-Tributeband begann, nimmt nun als eigenständiges Projekt weiter und vor allem immer beständiger an Form an. Maerzfeld bringen Anfang Oktober nach Tief (2011), Fremdkörper (2014) und Ungleich (2017) ihr neues Album Zorn an den Start. Mit jedem erschienen Album nahm die Qualität weiter zu, doch der Schritt zum großen Bekanntheitsgrad blieb aus meiner Sicht bisher leider aus. Können sie den Trend fortführen und wieder ein gutes Album herausbringen?
In den folgenden Zeilen werdet ihr es erfahren.

Besetzung:
Heli Reißenweber - Gesang
Mike Sitzmann - Gitarre
Matthias Sitzmann - Gitarre
Korbinian Stocker - Bass
Michael Frischbier - Schlagzeug 


Tracklist:

  1. Zorn 
  2. Ohrblut 
  3. Die Sünde lebt 
  4. Schwarzer Schnee 
  5. Reich 
  6. Bittersüß 
  7. Einer wie alle 
  8. Flammenhände 
  9. Menschling 
  10. Die Welt reißt auf 
  11. Zeig mir die Nacht (Münchener Freiheit Cover) 

Los geht es ohne Intro direkt in das erste krachende Riff. Eben dieses wird auch über die erste Strophe weiter fortgeführt und untermalt den düsteren Text des Titelsongs „Zorn“. Wie schon der Name vermuten lässt, erzählt der Opener sehr ausgeprägt über diese Emotion und deren Folgen. Hier wird schon deutlich die Marschrichtung der Platte festgelegt. Die Gitarren sind noch mal ein Stück krachender als in den Vorgängern, die elektronischen Klänge aus dem Industrialbereich wurden etwas mehr ausgeprägt und man kann allgemein sagen, dass die Stellschrauben eher in Richtung mehr Härte angezogen wurden. 

Der Zweite Song befasst sich mit dem, was für viele die Lebensgrundlage, unerschöpfliche Quelle der Kraft oder manchmal einfach nur ein netter Zeitvertreib sein kann: die Musik. Oder wie in diesem Song „Ohrblut“ benannt, welches durch unser aller Ohren fließt und jeden von uns auf seine Weise beeinflusst. In diesem Stück schürt es jedoch die Wut und steigert diese solange in die Höhe, bis es den Hörer wortwörtlich in Stücke reißt.

Besessenheit ist das Stichwort für den Nachfolgenden Titel. In „Die Sünde lebt“ dreht es sich nur um das Verlangen, die in ihm wohnende Sünde auszuleben. Um welche genau es sich hier handelt, wird nicht beschrieben. Doch wer die klassischen sieben Todsünden kennt, oder sich kurz mit ihnen auseinander setzt, wird verstehen, dass der Drang danach einfach nur das Böse in jedem aufsteigen lässt.

Sehr viel Spielraum zur Interpretation erwartet uns mit „Schwarzer Schnee“. Der angesprochene Schnee kann als Synonym genutzt werden, um all die Laster zu beschreiben, welche auf unsere Welt sprichwörtlich herabfallen können und drohen, uns zu erdrücken. Nicht ganz so schnell aber dennoch so krachend wie in den vorangegangenen Songs schafft es diese Nummer eine beeindruckend düstere Atmosphäre zu schaffen, in der man fast schon selbst spüren kann, wie dieser schwarze Schnee auf uns herabprasselt und droht uns zu erdrücken.

Vorhin habe ich hier die sieben Todsünden angesprochen, eine davon ist das ideale Schlagwort für das nachfolgende Lied: die Habgier. In aller Grausamkeit wird hier eine etwas umschrieben, was im ersten Moment übertrieben wirkt, aber nach kurzem Nachdenken doch fast schon alltäglich um uns herum von den Superreichen ausgelebt wird. Verpackt ist dieses brutale Spiegelbild unserer Gesellschaft in ein musikalisches Gewand, bei dem sehr einfach Partystimmung aufkommt. Da treffen die gewohnt harten Riffs auf Discobeats, die dann noch durch - aus dem Hintergrund hervor drängende- Hey-Rufe untermauert werden. Das ganze ist fast schon ein Paradox in sich. Aber es macht Laune beim Hören und ich denke, damit wir „Reich“ auch bestimmt live überzeugen.

Ebenso mit einer Todsünde könnte „Bittersüß“ betitelt werden. Der Titel ist auch das Schlagwort im Refrain, man könnte ihn aber auch einfach mit Wollust benennen. Besungen wird in diesem doch mehr elektrolastigen Song die Beziehung zwischen zwei noch blutjungen Menschen, die einfach nicht mehr an sich halten können und dem Verlangen nicht nachgeben müssen. An für sich ist daran ja nichts verwerfliches, doch wie schon im Refrain erwähnt „... Liebe kann, auch Sünde sein“. In diesem Fall ist es nicht nur eine Sünde sondern auch wirklich etwas zu tiefst Verwerfliches, was hier von statten geht. Wer genau erfahren will, worum es sich dabei handelt bzw. über wen, der sollte sich dieses Album schnellstens besorgen und sich selbst ein Bild darüber machen.

Heutzutage ist es ja fast schon Gang und gebe, vor allem bei uns in der Szene, dass beinahe jeder versucht, sich mit seinem Aussehen bzw. seinem Verhalten aus der Masse herauszustechen. Man will einzigartig sein und versucht das auch so gut es geht zu untermauern. Sei es durch Tattoos, Piercings oder andere Körpermodifikationen. Doch allein schon wenn man versucht so zu sein, ist es dann nicht auch schon eine Art Trend dem man folgt, wenn es alle so machen? In „Einer wie alle“ wird es jedenfalls genau so dargestellt. Und im gleichen Zug werden auch unterschwellig die ganzen sogenannten Internetstars mit aufgezählt, da sie auch nichts anderes sind als eine Modeerscheinung die (hoffentlich sehr bald) wieder verschwinden wird.

Das darauf folgende Lied könnte man als einen übersteigerten Egotrip an sehen. Komplett selbst von sich überzeugt erzählt hier der Protagonist, dass quasi nur er das Maß aller Dinge ist. Obendrein prophezeit er noch das Ende der Welt, welches er selbst durch seine „Flammenhände“ herbeiführen kann. Musikalisch werden hier die Gitarren etwas in den Hintergrund gerückt damit die Beats und Sequenzen aus dem Industrialbereich in den Vordergrund rücken können. Vom Klang her eine sehr willkommene Abwechslung auf dem Album.

Eingeleitet durch eine Melodie aus dem Industrialgenre widmet sich „Menschling“ dem vielleicht größten Paradoxon, dass es auf dieser Welt gibt: dem Menschen selbst. Wir sehnen uns nach mehr Menschlichkeit, doch wenn wir eben diese zeigen bestrafen wir uns selbst dafür. Dieses und weitere eher trübe Beispiele für diese Widersinnigkeit liefert der neunte Track und hält damit unserer heutigen Gesellschaft gekonnt den Spiegel vor.

Im vorletzten Song erwartet uns im Intro wieder ein gewohnt hartes Riff, welches in den Strophen aber wieder abflaut um dann im Refrain zu einer sehr melodischen Untermalung zu werden. „Die Welt reißt“ ist ein fast schon harmlos verpacktes Schauerbild über das Ende der Welt. Fast schon verspielt wird das grausige Ausmaß hier dargestellt und sorgt somit wieder einmal komplett gegensätzliches Bild.

Zum Schluss kommt dann echt noch eine dicke Überraschung um die Ecke. Hier präsentieren Maerzfeld uns tatsächlich ein Cover des Liedes „Zeig mir die Nacht“ von der Münchener Freiheit. So komisch sich das auch anhört, umso mehr geht das Ganze doch auf und sorgt mit einem Schmunzler für ein ungewöhnliches aber gelungenes Ende dieses Albums.


Fazit:
Die Evolution der Band
Maerzfeld hat einen weiteren Schritt nach vorne gemacht und mit Zorn ein sehr facettenreiches und auch fast schon buntes Album beschert. Fans der dunklen Musik aber auch Leute, die nicht abgeneigt sind, ihren Horizont zu erweitern, werden an dieser Platte ihre helle Freude haben. Auf jeden Fall bin ich mir sicher, dass diese Lieder auch live überzeugen können und der Band hoffentlich ihren verdienten Erfolg bringen wird.

Alex 
AGF- RADIO